Der musikalische Nachwuchs brillierte.
Von Eva Onkels
Sie sind die Ostfriesenwitze des Orchesters: Bratscherwitze. Die Viola (Bratsche) sei ein Instrument für schlechte Geiger, Bratscher üben nicht, Bratscher können nicht schnell spielen – Bratscherwitze deklinieren jedes einzelne Klischee durch. Vergessen Sie’s bitte. Die Viola ist ein wunderschönes Instrument, das sich nicht hinter ihrer kleinen Schwester, der Violine, verstecken muss.
Schönheit und Komplexität
Beim diesjährigen Weihnachtskonzert konnten drei Bratschistinnen die Schönheit und Komplexität des
Instruments vorstellen. Mit dem „Lament für zwei Bratschen“ von Frank Bridge überzeugten die Studentinnen Soyeon Kim und So Yun Lim das Publikum. Dabei brillierten die Musikerinnen in dem facettenreichen Stück, dessen Passagen von harmonisch bis streitlustig die ganze Bandbreite eines Duetts bespielten. Technisch betrachtet wurde alles verlangt: komplizierte Doppelgriffe, schnelle Läufe in den hohen Lagen, gefühlvollgebundene Legato-Passagen und deutliche Pizzicati, gezupfte Töne. Typischen Barockklang präsentierte Ana Carolina Santos, ebenfalls auf der Bratsche, mit der „Prélude“ aus Johann Sebastian Bachs Suite 1009, im Original geschrieben für Cello. Aber natürlich waren bei dem Konzert nicht nur Bratschen, sondern auch andere Musikinstrumente vertreten – und ganz ohne Zweifel spielte jeder der Studierenden, egal, ob im Duett oder Solo, fantastisch. Für die Studierenden sind diese Konzerte eine besondere Möglichkeit, ihre Arbeit und ihr Können vor großem
Publikum zu präsentieren. Schon das erste Stück, die „Sonata concertata“ für Violine und Gitarre von Niccolò Paganini, überzeugte die Zuhörer. Iseon Kim (Violine) und Dimitris Polyviou (Gitarre) spielten das Stück souverän. Beiden Instrumenten kam die Akustik des Raums entgegen, der den klaren Klang des Stückes auch in den schnellen, tänzerischen Passagen des Rondos bis in die letzte Ecke tragen konnte.
Viel Lob vom Publikum, vor allem auch nach dem Konzert, erhielt Harfenistin Pauline Smusch, die sowohl mit Alphonse Hasselmanns Konzertetüde op. 44 „La Source“ als auch mit Bernard Andrès Werk „Duke“ zu glänzen.
Der musikaltische Nachwuchs brillierte
Insbesondere „Le Source“ ließ richtig Weihnachtsstimmung aufkommen, denn wer wollte, konnte sich
in seiner Fantasie auf eine Schlittenfahrt durch einen verschneiten Wald begeben, in Teilen erinnert das Stück zudem an die Filmmusik des Weihnachtsklassikers „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Franziska Groß (Sopran) und Nikolai Studenikin (Gitarre) trugen gemeinsam Joaquín Rodrigos „Pastoricito Santo“ und „Adela“ vor. Mit Weihnachtsmütze und einer großen Prise Humor ging es dann an einen richtigen
Weihnachtsklassiker, nur, dass sich Sängerin Groß bei „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ diesmal kein Spielzeug, sondern gleich ein ganzes Orchester wünschte. Das wurde von einem lauten Lachen des Publikums und im Anschluss auch der Sängerin belohnt.
Bachs Kompositionen
Das Konzert war auch eine gute Gelegenheit, sich mit der Struktur von Bachs Kompositionen
auseinanderzusetzen, gehört er doch zu den Komponisten mit der deutlichsten Handschrift. Mit der „Prélude“ war bereits ein Teil von Bachs Schaffen vorgestellt worden, die „Chromatische Fantasie und Fuge“, gespielt von der technisch herausragenden Soyono Eguro, vertrat einen weiteren Teil. Es war sehr gut zu erkennen, dass die Stücke sich in der Formstrenge ähnelten, sich in der Umsetzung und Struktur derselbigen jedoch deutlich unterschieden. Zum Abschluss präsentierten sich noch die diesjährigen Gewinner des BrigitteKempen-Wettbewerbs der Musikhochschule, Alica Müller (Klavier) und Roger Morelló Ros (Cello). Mit dem ersten und letzten Satz von Igor Stravinskys „Suite Italienne“ in einer Bearbeitung für Violoncello begeisterten die beiden Studierenden die Zuhörer im bis auf den letzten Platz besetzten Saal. Musikalisch spektakulär, technisch hochkomplex und aufwühlend war besonders der letzte Satz von Stravinsky und zeigte hervorragend das Können des jungen Cellisten. Da war das Abschlussstück des Duos und das letzte Stück des Konzertabends, Johannes Brahms „Wie Melodien zieht es mir“, fast so etwas wie eine weihnachtliche Versöhnung. Bei Glühwein und weihnachtlicher Trompetenmusik durch das Trompetenensemble der Hochschule konnte man
das Konzert dann ausklingen lassen.
Musikunterricht finanziert
Den Dank des Vereins „Nele und Hanns Bittmann“ an alle Beteiligten überbrachte der 1. Vorsitzende Albrecht Peltzer. Er dankte vor allem auch Prof. Hans-Werner Huppertz und seiner Kollegin Prof. Claudia Kunz Eisenlohr für deren Engagement und die treue Verbindung der Hochschule zum Kinderhilfsfonds. Mit den Spenden, die bei diesem Verein satzungsgemäß ohne einen Cent Abzug für Verwaltungskosten o.ä. Bedürftigen zugute kommen, wird laut Albrecht Peltzer unter anderem auch Musikunterricht finanziert, um Kindern kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.